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Freitag, 13. November 2015

Das reine Subjekt ohne Objekt

von Werner Spat & Werner Spa:

Das reine Subjekt ohne Objekt muss eine fantastische Erfahrung sein. Die diversen Richtungen der indischen Religionen sind ganz fasziniert davon, aber auch die Taoisten Chinas, die Zen-Buddhisten Japans, christliche Mystiker wie Meister Eckhart und sogar der Jesus des Thomas-Evangeliums sind besessen davon. Beeindruckt sind auch Krishnamurti und Leute mit tiefgehenden LSD-Erfahrungen wie Stanislav Grof.

Die Erfahrung ist gekennzeichnet durch Unbeschreiblichkeit, Leere, Grenzenlosigkeit und den Eindruck, am Grund aller Dinge angekommen zu sein. Manchmal wird berichtet, es gäbe in dieser bewussten, wachen Leere so etwas wie Ideen oder Formen. (Z.B. Plotin, Laotse, Grof, einige buddhistische Schulen.)

Es gibt viele Wege zu dieser Erfahrung: halluzinogene Drogen, Reizüberflutung, Koans (bezeichnend: "Was ist Nichts?", "Wer bin ich?" oder "Wer warst du, bevor du wurdest?"). Am häufigsten werden als Weg jedoch äußerste Ruhe und Entspannung genannt, bei der man hellwach bleibt, nach und nach alles vergisst und schließlich auch keine Sinnesempfindungen mehr hat.

Während diese Erfahrung bei den Erlebenden hinsichtlich ihrer Wichtigkeit unumstritten ist, so ist ihre philosophische Einordnung doch keineswegs eindeutig!

Manche Erlebende huldigen offenbar einem Solipsismus (im Zen gibt es Fälle). Andere schwanken bzgl. Solipsismus, erwähnen aber die Verführung dazu durch die Erfahrung. Für andere gibt es nur einen einzigen, aber unpersönlichen und überpersönlichen Geist: ein einziges Ich für alle Wesen (z.B. Advaita). Buddha hatte dagegen keine Probleme damit, Nirvana von Samsara zu unterscheiden. Und im Samkhya bzw. Sankhya gibt es nicht nur ein reines Subjekt, sondern viele reine Subjekte, die jedoch unterschiedlich mit Materie behaftet sind, wozu nicht nur die Körper und ihre Außenwelt, sondern auch die Sinneswahrnehmungen, Bedürfnisse, Gefühle, Wünsche und Gedanken gezählt werden. Der Samkhya war lange Zeit atheistisch. Der Buddhismus ist auch atheistisch und leugnet sogar das Ich; man kann dieses ja auch tatsächlich als Teil des Erlebten anstatt als Erlebenden interpretieren! Auch Laotse feiert sein Tao und erwähnt einen Gott offenbar nur am Rande. Selbst der Christ Meister Eckhart hält sein eigenes reines Subjekt für so erhaben, dass Gott dort - in sein Seelenfünklein, wie er seinen Zustand als reines Subjekt nennt - nur dann hineinschauen oder -kommen kann, wenn Gott selbst in seinen eigenen Urzustand vor der Schöpfung zurückkehrt, d.h. selbst wieder zum reinen Subjekt wird. (Aber müsste Gottes Schöpfung nicht zusammenbrechen, wenn er sich daraus zurückzöge?)

Die meisten Erlebenden des reinen Subjekts - häufig als Erleuchtete bezeichnet - scheinen dieses reine Subjekt bzw. dessen Leere nicht nur als Anfang, Grund und Quelle alles Seienden aufzufassen, sondern auch als dessen Ende, Ziel und Erlösung. - So strebt etwa der Samkhya an, sich von allen Objekten zu lösen, diese in ihre ursprüngliche Latenz bzw. Potenzialität zurücksinken zu lassen, und damit selbst wieder reines Subjekt (neben unzähligen anderen reinen Subjekten) zu werden. (Nebenbei: Das klingt wie eine moderne Interpretation der Quantenmechanik, ist aber noch weitergehend, da auch die Bewusstseinsinhalte wie z.B. Gedanken und Gefühle betreffend.)

Die Worte scheinen verschieden zu sein - und sogar die Weltanschauung - aber die meisten Erlebenden scheinen das gleiche (phänomenale) Erleben im Sinn zu haben. Interessant!